Essstörung
Was können anzeichen einer Essstörung sein?
Menschen, die an einer Essstörung erkrankt sind, berichten häufig von einem abweichenden Essverhalten. So wird z. B. strikte Diät gehalten, um einen Gewichtsverlust herbeizuführen. Es können aber auch Heißhunger- oder „Fressattacken“ das Alltagsleben prägen. Betroffene versuchen in der Regel ihr Essverhalten geheim zu halten. In manchen Fällen wird der Gewichtzunahme z. B. durch Erbrechen versucht entgegenzuwirken.
Etwa 3% der Bevölkerung leidet an einer Essstörung.
Welche Arten von Essstörungen gibt es?
Bei einer Anorexia nervosa (AN) haben die Betroffenen Angst davor, dick zu werden. Eine verzerrte Selbstwahrnehmung zeigt sich dadurch, dass sie sich dicker wahrnehmen, als sie in Wirklichkeit sind (Körperschemastörung). Starkes Untergewicht (weniger als 85% des normalen Körpergewichts oder BMI < 17,5) liegt vor. Zusätzlich bleibt die Menstruation 3 Monate hintereinander aus (sog. Amenorrhoe). Exzessives Sporttreiben, striktes Diätverhalten und regelmäßiges Wiegen kann Teil der Gewichtskontrolle sein (sog. Restriktiver Typus). Einige Betroffene versuchen die Gewichtsabnahme herbeizuführen, indem sie Abführmittel oder Entwässerungstabletten zu sich nehmen oder sich nach dem Essen übergeben (sog. Purging-Typus). Sehr häufig wird eine „Schwarze Liste“ mit verbotenen Speisen, die als sehr kalorienhaltig gelten, geführt. Aufgrund des starken Untergewichts kann es zu Konzentrationsschwierigkeiten und Kreislaufproblemen kommen.
Personen, die unter einer Bulimia nervosa (BN) leiden, zeigen im Gegensatz zu der AN kein so striktes Diätverhalten. Das Hauptmerkmal sind regelmäßige „Fressattacken“, in denen innerhalb von 2 Stunden wesentlich größere Menge als normal an Nahrung zu sich genommen wird (mindestens 3 Monate lang). Im Anschluss daran erfolgen die Einnahme von Abführmittel oder Entwässerungstabletten, sowie das Übergeben. Ein Kontrollverlust wird erlebt (Menge, Dauer der „Fressattacke“ kann nicht mehr kontrolliert werden). Eine ständige Beschäftigung mit dem Essen und ein als intensiv erlebter Drang zu essen, werden berichtet. In der Regel liegt kein Untergewicht vor. Es wird zwischen einem Purging-Typus (mit Erbrechen) und einem Nicht-Purging-Typus (ohne Erbrechen, aber andere Maßnahmen der Restriktion der Gewichtszunahme) unterschieden. Durch das Erbrechen können Zahnschäden entstehen.
Menschen, die nach „Fressanfällen“ keine Maßnahmen zur Gewichtsrestriktion anwenden, aber dennoch den Kontrollverlust erleben, fallen in die Kategorie der Binge-Eating-Störung. Die Essattacken zeichnen sich zusätzlich durch schnelleres Essen als normal, Essen bis zum Völlegefühl und Ekelgefühl über sich selbst, sowie Scham- und Schuldgefühle aus. Das Verhalten muss mindestens 6 Monate lang auftreten. Nicht selten liegt Übergewicht vor.
Wie entstehen Essstörungen?
Es gibt viele verschiedene Ursachen, die beim Entstehen einer Essstörung eine Rolle spielen. Genetische Faktoren, die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe, Schwangerschaftskomplikationen usw. sind hier zu nennen. Generell sind mehr Frauen von einer Essstörung betroffen als Männer. Das gesellschaftliche Frauenbild und Schlankheitsideal fördert Diätverhalten und verzerrte Köperwahrnehmungen.
Bei der AN können Faktoren wie Fütterungsprobleme, Schlafprobleme im Kindesalter und ein überbehüteter Erziehungsstil ein Risiko darstellen. Erlebter Missbrauch, sowie belastende Erlebnisse spielen auch eine Rolle. Grundeinstellungen, wie Perfektionismus und Sich-Nicht-Angenommen-Fühlen durch die Eltern (z. B. kritische Bemerkungen zum Gewicht des Kindes) können die Entstehung einer AN begünstigen. Der Wunsch, gewisse Teilbereiche im Leben kontrollieren zu können, ist wichtig für Betroffene. Wenigstens über ihr Gewicht können sie selbst entscheiden.
Bei der BN können die Essattacken als ein Versuch emotionale Probleme zu bewältigen, gesehen werden. Kindliches Übergewicht, Sorgen um das eigene Gewicht, ein niedriges Selbstwertgefühl und Probleme in der Familie sind u. a. als Risikofaktoren zu nennen. Auch Missbrauchserfahrungen, belastende Lebensereignisse und mangelnde soziale Unterstützung in der Jugend sind mit einem Risiko verbunden. Häufig beginnt eine Essstörung mit einer oder mehreren Diäten.
Wie wird die Symptomatik aufrechterhalten?
Das Diätverhalten und restriktive Essen trägt zur Aufrechterhaltung der Symptomatik bei. Das Gefühl, Kontrolle zu haben und positive „Erfolgserlebnisse“ beim Abnehmen führen dazu, dass das Selbstwertgefühl kurzfristig gesteigert wird. Das Verhalten wird dadurch verstärkt und weiter aufrechterhalten. Auf Dauer kann die Selbstkontrolle zur einzigen Quelle für das Selbstwertgefühl oder die eigene Identität werden.
Das Diätverhalten führt häufig zu starken Hungergefühlen, die in Heißhunger-/Essattacken münden. Patientinnen mit AN Restriktiver Typus können häufig die Kontrolle bewahren und dem Hungergefühl entgegenwirken. Menschen mit AN Purging Typus, BN und BED hingegen können die Essattacken nicht kontrollieren. Nach dem Nahrungsverzehr fühlen sie sich schlecht und so als ob sie versagt hätten und versuchen der Gewichtzunahme durch Erbrechen etc. entgegenzuwirken (Ausnahme BED). Dadurch geht es ihnen kurzzeitig besser. Vermehrtes restriktives Essverhalten folgt (Teufelskreis).
Heißhungeranfälle dienen anfangs der Erleichterung (z.B. ist das Hungergefühl gestillt). Nach einer Weile generalisiert sich die Wirkung und die Heißhungeranfälle haben eine allgemeine emotions- und spannungsregulierende Wirkung. Durch den erlebten Kontrollverlust kommt es allerdings langfristig zu einer zusätzlichen Schwächung des Selbstwertgefühls.
Die ständige kognitive Beschäftigung mit dem Essen, der Gewichtsreduktion, oder den „Fressattacken“ führt dazu, dass es schwer ist, aus diesem Gedankenkreislauf aus-zubrechen. Die Beschäftigung mit dem Essen wird zum zentralen Lebensinhalt.
Was für Therapiemöglichkeiten gibt es?
Eine Essstörung ist mit Hilfe von verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten gut therapierbar. Die Wirksamkeit von Psychotherapie ist wissenschaftlich bestätigt.
In der Verhaltenstherapie gibt es z. B. die kognitive Therapie, in der es um die Bearbeitung von ungünstigen Gedankenmustern und einem Hinterfragen von automatisch auftretenden Gedanken geht. Die Bewertung und Interpretation von bestimmten Situationen und Reizen, die zur Aufrechterhaltung der jeweiligen Symptomatik beitragen, wird hierbei verändert.
Gewichtszunahme, das Erarbeiten einer realistischen Körperwahrnehmung, sowie das schrittweise Abbauen der „Schwarzen Liste“ sind bei der AN wichtige Therapieziele. Patienten lernen auch, dass Verhaltensweisen wie das Übergeben, den gewünschten Effekt (Vermeidung der Kalorienaufnahme) gar nicht erzielen, da die meisten Kalorien z. B. schon vor dem Übergeben vom Körper aufgenommen werden.
Die Analyse von Reizen, die z. B. eine Essattacke auslösen, spielt auch eine Rolle, damit Patientinnen lernen können, angemessen darauf zu reagieren und Frühwarnsignale zu erkennen.
Neben der Therapie können auch soziale Kompetenztrainings und das Aneignen von Bewältigungsstrategien eine Verbesserung erzielen. Die Miteinbeziehung der Familie hat sich auch als hilfreich herausgestellt.