Was ist Autogenes Training?
Das Autogene Training ("autogen" kommt aus dem Griechischen und bedeutet autos = selbst und genos = erzeugen) ist eine bewährte Entspannungsmethode, die durch den Nervenarzt Johannes Heinrich Schultz (1884-1970) Anfang des letzten Jahrhunderts aus der Hypnose entwickelt wurde. Es ist kein Verfahren der Psychotherapie! Es wird aber oftmals begleitend angewandt und ist z.B. in Österreich integraler Bestandteil der Autogenen Psychotherapie. Im Gegensatz zur Hypnose basiert das Autogene Training auf Auto (Selbst) - Suggestionen, ist also quasi Selbsthypnose.
Durch diese Form der Selbsthypnose wird versucht auf Teile des vegetativen Nervensystems - es reguliert Atmung, Blutkreislauf, Stoffwechsel, Wärme- und Wasserhaushalt - Einfluss zu nehmen, die der Steuerung durch dem Willen normalerweise nicht zugänglich sind. Diese Einflussnahme ermöglicht, Stress willentlich durch eine Entspannung von Muskeln und Gefäßen abzubauen. Die Beschreibung der Vorgehensweise finden Sie unter Die Methode. Die Verminderung von Stress führt zu einer Steigerung des Wohlbefindens und ist Prophylaxe für durch Stress induzierte (oder durch Stress verstärkte) Beeinträchtigungen der Gesundheit (innere Anspannung, nervöse Unruhe, Gereiztheit, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen als Vorstufen ernsthafter Erkrankungen). Als positive "Nebenwirkung" führt es zu mehr Gelassenheit im Alltag, einer Eigenschaft, die wir alle bei unserem Gegenüber schätzen und die uns selbst doch so oft fehlt.
Wem hilft es?
Autogenes Training eignet sich für alle gesunden Menschen (auch für Kinder ab ca. 8 Jahren), die eine effektive Methode der Entspannung suchen. Die Wirksamkeit ist in vielen Studien bestätigt worden (siehe z.B. Linden, W. (1994). Autogenic training: A narrative and quantitative review of clinical outcome. Biofeedback and Self-Regulation). Neben der wohltuenden Wirkung kann Autogenes Training auch dazu beitragen, Beschwerden und Erkrankungen zu lindern. Es eignet sich zum Beispiel bei:
- innerer Unruhe
- Stress
- erhöhter Blutdruck
- Appetitlosigkeit
- Hyperaktivität
- Schlafstörungen
- Asthma
- Schlafstörungen
- Herz-/Kreislaufbeschwerden
- Magenprobleme
- Migräne
- Muskelverspannungen
- Schmerztherapie
- Nikotinentwöhnung
Nicht geeignet ist das Autogene Training für Menschen mit psychischen Belastungen, wie z.B. Depressionen , Wahnvorstellungen, starken Angstzuständen oder Zwängen, da es durch die Konzentration auf den inneren Rückzug zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes kommen kann. Bitte versuchen Sie hier nicht eine Selbstherapie durch Autogenes Training!
Die Methode
Bevor die Übungen beschrieben werden, ein kurzer Hinweis zur "richtigen" Körperhaltung. Die üblichen Möglichkeiten sind: liegend, angelehnt sitzend und die Droschkenkutscher-haltung. Probieren Sie aus, was für Sie angenehm ist. Bei der liegenden Haltung gesteht allerdings die Gefahr, dass Sie nach einem anstrengenden Tag wegschlummern. Ferner ist es sinnvoll eine Haltung zu wählen, die es Ihnen auch im Alltag ermöglicht Ihre Entspannungshaltung spontan einzunehmen. Die Übungen werden mit geschlossenen Augen durchgeführt, um die Fokussierung auf das innere Geschehen zu erleichtern.
Im Autogenen Training gibt es drei Stufen:
- Grundstufe
- Mittelstufe
- Oberstufe
In der Grundstufe werden die körperliche Entspannung und die Selbstsuggestion geübt. Sie ist das Fundament der späteren Stufen und eine intensive Praxis der dort vermittelten Inhalte ist notwendige Voraussetzung für weiterführende Kurse. Die Grundstufe besteht aus 6 Grundübungen, die in Ihrer bevorzugten Haltung durchgeführt werden. Eingeleitet wird die Übungseinheit mit der Ruheformel: "Ich bin ganz ruhig, die Gedanken kommen und gehen."
1. Die Schwereübung
dient der körperlichen Entspannung und löst ein Schweregefühl aus. Angefangen wird mit dem dominanten Arm (rechts für Rechtshänder, links für Linkshänder). Konzentrieren Sie sich auf den Arm ("mein rechter/ linker Arm wird ganz schwer") und beobachten Sie, wie sich Ihr Arm durch die Muskelentspannung immer schwerer anfühlt. Wiederholen Sie die Schwereformel 4-6 Mal. Wenn Sie Schwere und Müdigkeit spüren können, wiederholen Sie die Ruheformel und gehen zum nächsten Körperteil (Bein, anderer Arm) über. Zum Schluss sagen Sie sich: "Mein ganzer Körper ist schwer!". Nach jeder Übungseinheit erfolgt das sogenannte Zurücknehmen. Dabei geht es darum, ihren Körper in die Realität zurück zu führen, um Benommenheit und Schläfrigkeit zu vermeiden. Das gilt natürlich nicht, wenn Sie die Übung vorm Schlafengehen durchführen. Die Rücknahme erfolgt i.d.R. dreistufig: 1. Arme fest! (räkeln, strecken und kräftiges Ausschütteln der Arme. 2. Tief atmen! (kräftig ein- und ausatmen) 3. Augen auf!
2. Die Wärmeübung
Der Ablauf ist identisch, lediglich die Autosuggestion ändert sich: "Mein rechter (linker) Arm ist ganz warm. " bis "Mein ganzer Körper ist ganz warm". Die Zurücknahme nicht vergessen!
3. Die Herzübung
Während der Herzübung geht um das bewusste Wahrnehmen des Herzens, besonders des Herzrhythmus. Übungssätze wären z.B. "Mein Herz schlägt ruhig und gleichmäßig." oder "Mir ist warm ums Herz". Wenn Sie sich bei der Übung unwohl fühlen, oder Ängste entstehen, lassen Sie sie aus, oder ersetzen probeweise das Wort "Herz" durch "Puls".
4. Die Atemübung
"Mein Atem geht ganz ruhig und gleichmäßig" bis " Es atmet mich". Versuchen Sie nicht, Ihren Atem zu beeinflussen! Beobachten Sie einfach konzentriert, was passiert. Bewerten Sie nichts, lassen Sie es bewusst geschehen. Erleben Sie Ihren eigenen Rhythmus.
5. Die Sonnengeflechtsübung
Diese Übung führt zu einer verstärkten Durchblutung des Solarplexus. Sie regt den Stoffwechsel an und fördert die Verdauung. Die Formel lautet hier: "Das Sonnengeflecht ist strömend warm".
6. Die Stirn- bzw. Kopfübung
Die Kopfübung bildet den Abschluss der Grundübungen. Vor dem Schlafengehen, lassen Sie diese Übung weg. "Die Stirn ist angenehm kühl." Stellen Sie sich vor, ein wohltuender, kühler Wind streicht an Ihrer Stirn entlang. Diese Übung hilft im Alltag, klar und überlegt zu handeln.
In der Grundstufe wird noch kein Bezug auf die individuellen Probleme der Teilnehmer genommen. Die Übenden arbeiten mit sehr allgemeinen Formeln. Es erfolgt lediglich eine Auswahl der Formel, die sich für den Einzelnen am stimmigsten anfühlt.
Die Mittelstufe
Die sichere Beherrschung der Grundstufe ist die Grundlage für die Mittelstufe des Autogenen Trainings, die allerdings weit seltener praktiziert wird. In der Mittelstufe geht es um die Bildung formelhafter Vorsätze, die individuell auf den Übenden abgestimmt sind, seinen Wünschen und Zielen dienen. Wünsche und Ziele können den körperlichen Bereich betreffen - Krankheiten, Leistungsfähigkeit- , als auch den psychischen Bereich -Verwirklichung der eigenen Lebensziele, Verhaltensänderungen. Verstärkt werden die Formeln durch begleitende Bilder und Fantasiereisen. Die Grundannahme ist, dass dem menschlichen Handeln - oder Nichthandeln - immer eine Idee vorausgeht. Wir sind, was wir denken, bzw. unser Tun wird durch unsere Gedanken bestimmt oder signifikant beeinflusst. Dabei reicht es nicht, einfach wünschenswerte Gedanken "zu denken". Ich muss wirklich daran glauben, dass ich die mir gesteckten Ziele auch erreichen kann. Die Formeln müssen kurz und prägnant sein und positiv formuliert. Nicht: "Ich will nicht mehr so schnell aufbrausen." sondern "Ich bleibe gelassen." Diese Formel wird im entspannten Zustand wie ein Mantra ständig wiederholt. In der Mittelstufe ist es sinnvoll mit einem erfahrenen Therapeuten zu arbeiten, mit dem gemeinsam passende Formeln entwickelt werden.
Die Oberstufe
Für die Arbeit in der Oberstufe ist eine perfekte Beherrschung der Grundstufe Voraussetzung. Sie müssen in der Lage sein innerhalb kürzester Zeit in einen Zustand tiefer Entspannung zu gelangen. Die Oberstufe ist tiefenpsychologisch orientiert und benutzt meditative Techniken. Ziel ist die Innenschau, die Verarbeitung eigener Erlebnisse und die Selbsterfahrung, die Seinserfahrung. Die Zielsetzung ist ähnlich der Zen-Meditation, wird aber - im methodischen Rahmen des Autogenen Trainings verbleibend -, durch Nutzung von Formeln praktiziert. Die Inhalte der Meditation wechseln: z.B. Formmeditation, Klangmeditation, Begriffsmeditation, Personenmeditation, Seinsmeditation. Die Oberstufe rundet das Autogene Training zu einem ganzheitlichen System ab. Neben der rein körperlichen Grundstufe, wo es um die Beeinflussung des vegetativen Nervensystems geht, der Mittelstufe, die die Bearbeitung individueller Problematiken thematisiert, wird in der Oberstufe der Mensch als sinnsuchendes Wesen verstanden, das seinen Platz in der Welt finden will.
Der Beitrag der Gesundheitskassen
Da den Krankenkassen Ihre Gesundheit auch am Herzen liegt, befürworten diese meistens die Teilnahme ihrer Mitglieder an Entspannungskursen. Oft werden die Teilnahmekosten bezuschusst, bzw. sogar in voller Höhe übernommen. Informieren Sie sich persönlich bei mir oder bei Ihrer Krankenkasse.